Der Sorgenbaum
In einem Dorf stand einmal ein uralter Baum. Eines Tages wurden alle Dorfbewohner eingeladen, ihre Sorgen, Probleme und Nöte gut verpackt an diesen Baum zu hängen. Die Bedingung war jedoch, dass sie ein anderes Paket mitnehmen.
Und so geschah es auch. Zu Hause wurden die fremden Pakete geöffnet. Doch es machte sich Bestürzung breit. Die Sorgen und Probleme der anderen schienen viel größer zu sein als die eigenen!
Und so liefen alle wieder zurück zu dem alten Baum. Sie nahmen statt der fremden Pakete wieder ihre eigenen, hängten die fremden wieder an den Baum und gingen erleichtert zurück nach Hause.
Tausend Spiegel
Ein Hund hatte von einem ganz besonderen Tempel gehört: Es war der Tempel der tausend Spiegel. Der Hund wusste nicht, was ein Spiegel war, aber es hörte sich lustig an und so machte er sich auf den Weg.
Beim Tempel angekommen, lief er die Treppen hinauf, öffnete das Tor und trat ein. Da sahen ihm aus tausend Spiegeln tausend Hunde entgegen. Und er freute sich und wedelte mit dem Schwanz. Da freuten sich in tausend Spiegeln tausend Hunde und wedelten auch alle mit dem Schwanz! Der Hund dachte sich: Die Welt ist voller glücklicher und zufriedener Hunde. Und von nun an kam er jeden Tag in den Tempel der tausend Spiegel.
An diesem Nachmittag kam ein anderer Hund zu dem Tempel. Auch er lief hinauf und trat ein: Da sahen ihm aus tausend Spiegeln tausend Hunde entgegen. Der Hund bekam große Angst , knurrte und zog den Schweif ein. Da knurrten aus tausend Spiegeln tausend Hunde und zogen auch alle ihren Schweif ein. Und der Hund dachte sich: Die Welt ist voller böser, knurrender Hunde. Und er kam niemals wieder in den Tempel der tausend Spiegel.
Diese Geschichte hat zwei Lehren: Zum einen, dass wir das erhalten, was wir geben. „Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück“, so lautet ein Sprichwort, dessen Umkehrung man so ausdrücken könnte: „Gib, was du bekommen willst!“.
Zum anderen, dass die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ein Spiegel unseres Denkens ist: Wir können hineinsehen und uns darin erkennen. Sehen wir genau hin.
(aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläger)
Auch dies wird sich ändern
Ein Mann hinterließ seinen beiden Töchtern ein bescheidenes Vermögen; es war gerecht verteilt und er hatte klar bestimmt, was jede erhalten sollte. Nur über eine kleine Schatulle mit zwei Ringen hatte er nicht verfügt. Ein Ring war sehr wertvoll und mit einem großen Diamanten verziert, der andere ein schlichter Silberring.
Die ältere Schwester sagte: „Offensichtlich ist mir als der älteren der Diamantring bestimmt und dir der andere.“ Die jüngere Schwester war bescheiden und wollte nicht streiten. So nahm sie den Silberring.
Jede von den beiden ging ihren Weg. Während die ältere Schwester unter den Folgen ihrer Habgier und großen materiellen Ansprüche zu leiden hatte, lebte die jüngere ein einfaches und zufriedenes Leben. Sie trug auch den Silberring stets bei sich und eines Tages sah sie den Ring genauer an. Sie entdeckte eine kleine Inschrift an der Innenseite des Rings: „Auch dies wird sich ändern.“ stand da geschrieben. Sie erkannte sogleich die große Weisheit dieser Inschrift und je mehr sie sich in jeder Situation, ob angenehm oder unangenehm, deren Vergänglichkeit bewusstmachte, desto ausgeglichener und zentrierter wurde sie und erfuhr in ihrem Leben sich stets vertiefenden Frieden.
Schwamm sie oben auf der Welle des Glücks, so konnte sie es doch genießen, war sich dabei aber immer bewusst, dass wieder Regentage kommen würden. Und wenn sie sich krank oder einsam fühlte, dann wusste sie: „Auch dies wird sich ändern!“
Dies ist eine tiefe Weisheit des Buddha: Wenn wir im Glück den Keim des Unglücks und im Schmerz das Potential der Freude erkennen, so können wir sowohl den Augenblick bewusst erfahren, als auch vermeiden, von plötzlichen Veränderungen überrascht zu werden. Vor allem können wir durch dieses Erkennen einen Bewusstseinszustand jenseits von oberflächlicher Freude und Schmerz erreichen, einen Zustand tiefen inneren Friedens.
Etwas Weiteres können wir aus dieser Geschichte lernen: Dass die Weisheit (des Silberrings) mehr wert ist als der äußere Wert (der Diamantring). Oft trügt der Schein und das Stille, Unauffällige ist dem Glänzenden und Strahlenden überlegen!
(aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläger)
Der Baum und das Gras
Es war einmal ein großer Baum mit einem mächtigen Stamm und einer gewaltigen Krone. Schon von weitem konnte man diesen Baumriesen sehen, wie er seine gewaltigen Arme in den Himmel streckte. Er war auch sehr stolz auf sich und seine Größe und er blickte ein wenig mitleidig auf das Gras zu seinen Füßen, er, der Herr des Waldes.
Das Gras blickte staunend zu dem mächtigen Baum empor, hörte das Rauschen des Windes in seinem Laub. Das Gras war weich und biegsam und rauschte auch im Wind, aber viel, viel leiser.
Ein Sturm kam auf, und der Wind verfing sich in den Ästen und Blättern des Baumriesen, der mit aller Kraft seiner Wurzeln gerade noch standhielt, aber schon schwer zu kämpfen hatte. Das Gras bog sich bis zur Erde, und der Wind wurde immer stärker.
Dann kam eine plötzliche Windbö, es gab ein Krachen, das ebenso gewaltig war wie der stolze, hohe Baum, und langsam neigte sich der Riese, entwurzelt, zersplittert, ein Bild der Niederlage und der Zerstörung.
Der Sturm legte sich bald, und das Gras begann sich langsam aufzurichten, während der Regen sanft auf den Halmen abperlte.
Wie Yoga von innen nach außen kommt
Übst du regelmäßig Yoga, wirst du nach einer Weile bemerken, dass sich innere Verschiebungen auch Außen zeigen. Sie regen zum Nachdenken darüber an, wie du bestimmte Dinge in deinem Leben angehst. Vielleicht motivieren sie dich, dein Leben künftig anders zu gestalten. Regelmäßiges Yoga beschleunigt tendenziell die Art und Weise, wie sich deine Beziehungen und dein Lebensplan entwickeln. Anstatt also zehn Jahre lang in einem unbefriedigenden Job oder einer unglücklichen Beziehung festzuhängen, kann es sein, dass du das ganze Szenario nun innerhalb von zwei Jahren hinter dich bringst. Früher oder später stehen wir vor Entscheidungen, die im Inneren ausgelöst werden und die unser Leben radikal umkrempeln können. Hast du dir eine regelmäßige Praxis geschaffen, lernst du an diesem Punkt, Yoga über den Matten-Rand hinweg und mitten ins Leben zu bringen. Die Lehre unterstützt dich dabei, diese Veränderungen zu nutzen, um dein wahres Selbst zu enthüllen. Zudem hilft sie, die Angst und Verwirrung durchzustehen, die ein Lebenswandel meist mit sich bringt.
Mein treuer Freund, die Angst
Große Lebensveränderungen sind angsteinflößend. Besonders, wenn auch das Leben anderer Personen betroffen ist. Oder, wenn man nicht weiß, was einen hinterher erwartet. Allein wenn wir über eine Scheidung, einen Berufswechsel oder einen Umzug an das andere Ende des Landes nachdenken, können Existenzängste aufkommen. Diese zeigen sich oft ganz verschieden: als gesundheitliche Probleme, Albträume, Fluchtreaktionen, in übermäßigem Essen, anhaltender Unentschlossenheit oder in fluchthaften, unüberlegtem Handeln. Tatsächlich tauchen diese Ängste auch dann auf, wenn der Lebenswandel positiv ist. Studien zum Thema Stress zeigen: lebensbejahende Ereignisse wie Heirat, ein neuer Job oder eine langersehnte Chance sind ebenso stressig wie negative Veränderungen. Denk nur mal an eine Braut, die kurz vor der Zeremonie in Tränen aufgelöst zusammenbricht. Oder an einen jungen Mann, der ein vielversprechendes Stipendium in einer anderen Stadt sausen lässt, weil er seine Freunde zu Hause vermisst. Ob positive oder negative Veränderungen – sie sind mit Ängsten verbunden: Was, wenn ich andere Menschen damit verletze? Was, wenn ich die Entscheidung bereue? Diese Fragen schränken ein und lassen uns an schmerzhaften Situationen festhalten. So lange bis eine Kraft im Außen die Entscheidung für uns trifft. Yoga schenkt uns die Stärke und Einsicht, die wir bei einem entscheidenden Lebenswandel brauchen.
Ebenso wichtig wie die Yoga-Praxis sind hierfür einige yogische Grundsätze:
Das Wissen, dass wir die äußere Welt durch unsere innere Einstellung beeinflussen, dass hinter der Vielfalt des Lebens eine fundamentale Einheit liegt, dass große Kraft aus der Stille entspringt, und dass unser wahres Selbst nicht diese wandelbare, ängstliche, egobezogene Person ist, die wir manchmal zu sein scheinen.
Wende dich nach innen
An diesem Punkt wird deine Yoga-Praxis auf die Probe gestellt. Jetzt zeigt sich, wie sie dir in Zeiten des Lebenswandels dienen kann. Nicht falsch verstehen.. Die Yoga-Lehre wird dich nicht davor bewahren, dass du dich ängstlich, überfordert oder verwirrt fühlst. Aber du kannst sie nach Innen einladen, sie wie einen weisen Freund willkommen heißen, der dich durch diese Gefühle hindurch begleitet. So verlierst du dich nicht in ihnen. Vielleicht helfen dir die Weisheiten auch dabei, dass du dir mit Entscheidungen nicht so schwer tust. Im Laufe der Jahre habe ich die Angewohnheit entwickelt, mich in Zeiten des Umschwungs und der Verwirrung nach innen zu wenden und um Hilfe zu bitten. Meistens kommen dabei folgende Weisheiten ans Licht.
1. Wandel ist unvermeidbar
Die buddhistische Lehre der Vergänglichkeit, Anicca, vermittelt uns, dass alles im Wandel ist. Ständig. Wenn du das verinnerlichst, bewahrt dich das davor, in die Opferrolle zu schlüpfen. Das, was die Buddhisten als Vergänglichkeit bezeichnen, ist bei den tantrischen Yogis die sich immer verändernden Natur von Shakti. Shakti ist die dynamische Kraft und weibliche Energie. Sie manifestiert Dinge, bewahrt sie für eine Weile auf und löst sie schließlich wieder auf. Alles um uns herum ist Teil dieses natürlichen Flusses von der Entstehung über die Erhaltung bis hin zur Auflösung. Dieser Fluss findet auf makrokosmischer Ebene statt: als Wechsel zwischen den Jahreszeiten, zwischen Ebbe und Flut oder den Tageszeiten. Ebenso gibt es ihn aber auch auf mikrokosmischer Ebene: als Veränderungen in unserem körperlichen Befinden, als gute und schlechte Zeiten in unserem Leben und als wechselnde Gedanken und Emotionen. Sobald du den Lebenswandel als selbstverständlich erkennst, wird es dir leichter fallen, der Veränderung zu begegnen, vielleicht sogar mit ihr zusammenzuarbeiten.
2. Sehe die Veränderung als Prozess der Initiierung
Früher war es Tradition, jede Lebensphase als Initiierung zu verstehen. Oft wurde das mit einer Zeremonie besiegelt. Es war sozusagen der Schritt ins Unbekannte. Auch heute gibt es noch Initiierungs-Erlebnisse. Vielleicht sogar noch häufiger, als damals: der Berufs-Wechsel, der Umzug in eine neue Stadt oder die Entscheidung, nochmal zu studieren. Sie fordern uns auf, alte Gewohnheiten aufzugeben, die eigenen Fähigkeiten zu prüfen und uns für einige Zeit ins Ungewisse zu begeben. Begleitet wirst du dabei von der Veränderung. Schreitest du von einer Situation in die nächste, wirst du danach nicht mehr dieselbe Person sein. Erlebe den Übergang bewusst und sehe ihn als Chance zu wachsen. Somit schaffst du eine tiefere Beziehung zu dir selbst und zu der Welt. Dass das alles andere als leicht ist, weiß ich. Und doch birgst es die Möglichkeit, dass du dich von einem überholten Selbstbild befreien kannst und einen neuen Weg findest, du selbst zu sein. Also: Sei offen für den Lebenswandel und erlaube ihm, deinen Horizont zu erweitern. Lerne mehr über dich selbst und verschiebe deine Grenzen. Je mehr du die Veränderung als Initiierungs-Prozess akzeptierst, desto eher erkennst du darin verborgene Geschenke.
3. Meditation hilft bei Ungewissheit
Die Ungewissheit ist wohl der erschreckendste Aspekt des Wandels. Veränderung können auch Überraschungen, Rückschläge, Fehlstarts und Einbahnstraßen mit sich bringen. Das wiederum führt zu Angst, Ärger, Reizbarkeit oder Trauer. Und oft gesellt sich hier noch Ungewissheit dazu. Der Bauch verkrampft sich. Der Geist verfängt sich in einer Opfer-Rolle und malt dir schon das Worst-Case-Szenario aus. Vielleicht befürchtest du, für etwas nicht gewachsen zu sein. Was folgt ist oft die Flucht aus der Situation: Handy raus, Fernseher an, die beste Freundin anrufen und jammern. Dabei führst der wahre Weg gegen die unangenehme Ungewissheit mittendurch. Lasse das Gefühl zu und akzeptiere das Unbehagen zunächst. Kein Widerstand. Keine Erwartungen. Je länger du in der Ungewissheit verweilst, desto natürlicher und effektiver lässt du den Wandel geschehen. Meditation kommt dir hier zur Hilfe. Du hast dir schon eine regelmäßige Praxis geschaffen? Super! Denn diese führt dich zu deiner inneren Mitte. Welche Meditations-Technik du übst, entscheidest du. Das kann auch eine Atem–Übung sein oder ein Mantra, das du mehrmals wiederholst. Wichtig ist nur, dass sie dir hilft, im Moment zu bleiben.
4. Finde deine tiefsten Sehnsüchte
Die Erforschung des Selbst, Atma Vichara, ist das Kernstück im yogischen Umgang mit Veränderungen. Dabei stellst du dir Fragen wie: „Was wünsche ich mir von dieser Situation?“ Oder: „Welches Ergebnis wäre für alle Beteiligten am besten?“ Immer, wenn dir eine Antwort kommt, schreibe sie auf. Sitze anschließend eine Weile, meditiere und beobachte deinen Atem. Lausche dem Lehrer in deinem Inneren. Welchen Rat gibt er dir? Vertraue darauf, dass er dir mitteilt was du tun sollst. Komme zu deinen Fragen zurück und schreibe auch diese Antwort auf – selbst wenn sie dir seltsam vorkommen. Lese dir dann alle Antworten durch und versuche, einen roten Faden zu erkennen. Findest du deine tiefste Sehnsucht, ist es einfacher, den ersten Schritt Richtung Lebenswandel zu gehen.
5. Setze starke Intentionen
Der nächste Schritt im Lebenswandel ist, sich ein Sankalpa zu überlegen. Das ist eine klar formulierte Aussage darüber, wie du handeln willst. Wenn du ein klares Sankalpa formulierst, sprichst du die Kraft hinter deinem eigenen Willen an und richtest deinen persönlichen Willen mit dem universellen aus. Hast du ein Gefühl dafür bekommen, wie du auf deine tiefste Sehnsucht zugreifst? Dann kannst du auch ein Sankalpa finden, das im Einklang mit deinen wahren Wünschen steht. Je mehr du damit auf deinen Herzenswunsch eingehst, desto wahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Veränderung. Zu bedenken gilt: Das Sankalpa wird sich mit der Zeit und deinen verschiedenen Lebensphasen verändern. Egal zu welchen Zeitpunkt, deine Sankalpas sollten immer in der Gegenwartsform formuliert werden. Das klare Artikulieren deiner Aussage bringt das Ziel direkt in den gegenwärtigen Augenblick. Das verleiht dem Sankalpa die überzeugende Macht, dass dein erwünschtes Ergebnis nicht erst eintreffen muss, sondern bereits existiert.
(Anmerkung: Sankalpa - Absicht, Entschlossenheit, Entschluss, Wunsch, Ziel, aber auch Gedanke und Wille.)
6. Gehe jeden Schritt zu seiner Zeit aber bleib nicht stehen
Das Herz der Yoga-Praxis ist Abhyasa – das Bemühen, das zu erreichen, was du dir vorgenommen hast. Du bist entschlossen, etwas in deinem Leben zu verändern? Dann überlege dir, welche einzelnen Schritte du dafür gehen musst. Wende hier nochmal die Technik zur „Ergründung des Selbst“ an. Schmiede einen Plan. Denke nochmal alle Aspekte durch und finde mögliche Alternativen. Das nimmt dir die Ängste. Und nun kommen wir zum Handeln. Effektives Abhyasa im Lebenswandel bedeutet, einen Schritt nach dem anderen zu machen, um sich nicht überwältigt zu fühlen. Schnell wirst du merken, dass die ersten kleinen Schritte unweigerlich zu den nächsten führen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten. Wichtig ist nur, nie stehen zu bleiben.
7. Übe das Loslassen
Eine positive Nebenerscheinungen an einer Veränderung ist aus yogischer Sicht die Möglichkeit, Vairagya zu praktizieren – das Loslassen. Loslassen der Vergangenheit. Das Aufgeben der Gewohnheiten. Es geht darum, Ängste, Schmerz, eine Beziehung oder einen Job loszulassen. Das heißt nicht, dass du Dinge auf eine brutale Weise aufgeben musst nur um den Wandel zu erzwingen. Erlaube dir, den Schmerz zu erleben oder die Angst zu fühlen. Atmen dann aus und stelle dir vor, dass du das, an dem du bisher festgehalten hast, zusammen mit dem Atem gehen lässt. Oder schicke es mit einem Mantra hinaus ins Universum. Mache das zu einem kleinen Ritual, bis du das Gefühl von Befreiung spürst. Denn genau das bringt Vairagya mit sich. Meiner Erfahrung nach kann alleine die Erinnerung daran loszulassen – Augenblick für Augenblick – der Schlüssel zu einem positiven und tiefen Wandel sein.
(aus yogaworld.de-Yoga Jornal)
Der wertvolle Krug
Eine ältere chinesische Hausdienerin holte jeden Morgen zwei Krüge Wasser aus dem Fluss im Dorf. Sie legte dafür eine Holzstange über ihren buckligen Rücken und hängte an jedes Ende einen Krug.
Einer der beiden Krüge bekam eines Tages in der Mitte einen Sprung. Fortan verlor er aus diesem Riss auf ihrem Weg vom Fluss bis zum Haus die Hälfte seines Wassers. Der Krug bemühte sich nach Kräften, das Wasser in sich zu bewahren. Doch vergebens. So sehr er sich auch anspannte, stets verlor er einen Teil seiner Fracht.
Der Krug wurde sehr zornig mit sich.
So ging es ein halbes Jahr lang. Der beschädigte Krug wurde von Tag zu Tag trübsinniger. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Mit Verzweiflung in der Stimme wendete er sich an die alte Chinesin und weinte:
"Verehrte Frau, ich schäme mich so. Stets verliere ich die Hälfte des Wassers auf dem Weg. Bitte schlagt mich in Stücke, ich kann meinen Lebenszweck nicht mehr erfüllen."
Die chinesische Hausdienerin reagierte ganz anders als der Krug erwartet hätte. Liebevoll streichelte sie ihn über den Rand und bat ihn, am nächsten Morgen auf dem Rückweg vom Fluss doch einmal mit Achtsamkeit auf den Wegesrand zu blicken. Verwundert sagte ihr der Krug dies zu. Insgeheim war er sich aber sicher, dass dabei nichts herauskommen würde.
Der kaputte Krug erwachte mit dem ersten Morgenlicht. Er konnte es kaum erwarten, dass die alte Frau ihn holen und zum Fluss tragen würde.
Nun muss man zunächst wissen, dass die Hausdienerin den kaputten Krug immer auf der rechten Seite einhakte. Darum konnte der traurige Krug auf dem Hinweg zum Fluss nichts besonderes am Wegesrand feststellen.
"Geduld", beruhigte ihn die alte Frau, "Rückweg hatte ich gesagt."
Als sie sich endlich auf dem Heimweg befanden, betrachtete der Krug seine Seite des Weges ganz genau. Überall wuchsen dort farbenprächtige Blumen, Bienen und Libellen brummten und summten dazwischen herum. Wie jeden Morgen pflückte die alte Frau einen kleinen Strauß und steckte ihn vorsichtig in ihre Tasche.
Wie hatte er diese Pracht in den letzten Monaten nur übersehen können? Der Krug meinte, es läge an seinen konzentrierten Bemühungen, den Sprung zu verschließen. Er hatte einfach kein Auge für die Natur gehabt.
Am Hof angekommen fragte die alte Chinesin den Krug: "Und, ist dir etwas aufgefallen?"
"Ja, mir ist schon wieder die Hälfte des Wassers aus meinem Sprung geronnen."
"Das meine ich nicht, lieber Krug. Hast du denn die vielen Blumen nicht bemerkt."
"Doch, natürlich. Die haben mich sehr erfreut. Aber was habe ich damit zu tun?"
Die Alte lachte laut auf. "Lieber kaputter und wertvoller Krug du. Ist dir denn gar nicht aufgefallen, dass auf dem gegenüberliegenden Wegesrand nur sandiger Staub zu sehen ist? Das war früher auch auf der jetzigen Blumenseite so. Seitdem du den Sprung bekommen hast, verlierst du auf dem Rückweg immer einen Teil des Wassers auf diesen Wegesrand. Irgendwann begannen die Blumen zu wachsen ... Seit dieser Zeit ist es für mich immer eine Freude, diesen Weg entlang zu gehen.
Jeden Morgen pflücke ich einige Blumen und lege sie meinem Herrn auf den Frühstückstisch. Er ist voll des Lobes. Und das alles dank dir und deinem Sprung. Mögest du noch lange durchhalten, mein Freund."
(aus yoga-welten.de – Peter Bödeker)
Auch wenn die Dinge im Leben nicht ´mehr´ perfekt sind, können sie uns unter Umständen mit mehr Freude erfüllen als gedacht. Es gilt nur die Dinge anzunehmen. So auch mit Verletzungen, die uns das Leben zufügt. Ich bin der Meinung alle Verletzungen des Lebens können heilen, aber jede Verletzung lässt auch eine Narbe zurück.
Nun kann ich mich über die Narbe ärgern, ich kann mit ihr hadern, oder ich kann sie als Entstellung meiner Person ansehen.
Sobald ich aber mit meinen Narben Frieden schließe und sie als Teil von mir anerkenne, es vielleicht sogar schaffte, sie als individuellen Teil anzusehen, den kein anderer hat. Ja vielleicht sogar als etwas Schönes zu sehen, oder auch als Erinnerung, dass ich etwas Besonderes erleben durft, wird sich dieser Teil in mein Leben fügen. An Kraft und Angst verlieren und mich unter Umständen sogar trösten und voller dankbarer Freude erfüllen.
Alles eine Sache der Aufmerksamkeit und der Sicht auf die Geschehnisse des Lebens. Ich kam auf diese Gedanken, nachdem ich über Tattoos nachgedacht habe.